Hast du schon mal eine Predigt über Hiob gehört? Wenn ja, dann war es wahrscheinlich
eine Aufforderung, Hiobs demütige und anbetende Haltung nachzuahmen, die
inmitten von Verlust und Leid zu Tage tritt. Obgleich Hiobs erste Reaktion auf
seine katastrophalen Erfahrungen ehrenhaft und lobenswert ist, gibt es dennoch
viel mehr von diesem alttestamentlichen Buch zu lernen. Bliebe man beim ersten
Kapitel stehen, so würde man die rohen Emotionen Hiobs in den übrigen 41
Kapiteln verpassen. Hiob ist wütend auf Gott und schuldigt ihn schamlos an. Er fühlt
sich als Gottes Zielscheibe (7:20), wobei er Gott als Scharfschützen sieht, der
brennende Pfeile in ihn hinein schießt (6:4), ihn mit einer Rute schlägt (9:34)
und ihn in den Schlamm wirft (30:14). Er denkt, dass Gott mit ihm Streit sucht
(10:2), ihn unterdrückt, verachtet und ihm seine letzte Hoffnung stiehlt
(14:19). Hiob besitzt sogar die Dreistigkeit, Gott als Ankläger zu bezeichnen. Ist
es dann nicht erstaunlich, dass Hiob mit diesen Aussagen, nach Gottes Meinung,
nie gesündigt hat (42:7-9)?
Nach Anis Tod war ich wütend auf Gott, weil er meine kostbare Tochter
genommen hatte. Ich dachte, es sei verkehrt so zu fühlen und meine Schuldgefühle
hielten mich davon ab, Gott nahe zu kommen. Als ich diese Spannung nicht mehr länger
ertragen konnte, vertraute ich mich einem professionellen Seelsorger an. Er erklärte
mir, dass er nur ein einziges Mal in seiner gesamten Karriere eine trauernde
Mutter getroffen hatte, die nicht Wertgefühle Gott gegenüber hatte. Natürlich
war es ein Trost, dass ich nicht die Einzige war, der es so ging, aber es
interessierte mich umso mehr, wer diese Heilige war, dessen Reaktion so anders
war. Die Antwort war überraschend: Diese
Frau war Atheistin und konnte dadurch unmöglich einen Gott beschuldigen, an den
sie gar nicht glaubte.
Durch dieses neue Verständnis, dass Wut auf Gott eine normale Reaktion auf
Katastrophen war, wurde mir wieder einmal bewusst, dass Gott viel größer ist
als ich dachte. Gott ist nicht schwach. Er hat keine Bedenken, dass sein Name
durch meine negativen Gedanken oder Gefühle getrübt werden könnte. Wir dürfen
frei zu ihm kommen und unsere Beschwerden vorbringen. Er erlaubt uns gegen
seine Brust zu trommeln und vor Wut zu schreien. Er hält es aus! Noch dazu weiß
er sowieso schon, was wir denken und wie wir uns fühlen. Er lehnt uns nicht ab,
sondern will uns in die Arme nehmen und uns zeigen dass er für uns und mit uns
ist, auch wenn wir die Situation nicht verstehen. Selbst wenn wir wütend auf
ihn sind, möchte Gott für uns da sein.
Durch diese Einsicht habe ich mich in den Gott von Hiob verliebt. Wenn wir
einfach über Hiobs schmerzhafte Gefühle hinwegsehen, verpassen wir es zu
erkennen, dass es in Ordnung ist absolut echt mit Gott zu sein. Gott ist größer
als unsere Gefühle!
·
Lies 1 Johannes 3,30 und
schreib Gott deine ehrlichen Gefühle.
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